Liebe Freund*innen,
wir möchten Euch herzlich zu unserem nächsten Schwarzen Freitag
einladen.
„Das Buch von Didier Eribon „Rückkehr nach Reims“ hat mich sofort fasziniert, mitgenommen, nicht mehr los gelassen, seitdem ich es im Frühjahr 2017 gelesen habe. Ich habe mich in vielem, was Eribon autobiografisch beschrieb und zugleich soziologisch analysierte, wieder erkannt.
Eribons Biografie ist von Brüchen und Widersprüchen geprägt. Er ist in Reims als Sohn einer ungelernten Arbeiterin und eines ungelernten Arbeiters aufgewachsen. Er machte dort Abitur, näherte sich der Schwulenszene der Stadt an, trotz seiner sozialen Herkunft. Eribon wuchs in einer homophoben und latent bis offen nationalistischen und rassistischen Umgebung auf. Nach dem Abitur flüchtete er nach Paris.
Doch Eribon fragt sich und uns, inwieweit schleppen wir unser soziales Erbe, unsere soziale Herkunft ein Leben lang mit uns herum? Sind wir dadurch quasi vorverurteilt, zu dem zu werden, was unsere Eltern waren?
Haben wir eine wirklich freie oder autonome Wahl, welchen Platz wir in der Gesellschaft einnehmen? Werden wir den Geruch der
Arbeiter_innen-Klasse wieder los? Können wir wirklich entfliehen? Und was bedeutet Rückkehr in diesem Zusammenhang?
Didier Eribon ist 1953 in Reims geboren, hat in Paris Philosophie
studiert, arbeitete als Journalist, Autor, Soziologe und Philosoph und lehrt heute als Professor an der Universität in Amiens.
„Als sein Vater stirbt, reist Didier Eribon zum ersten Mal nach
Jahrzehnten in seine Heimatstadt. Gemeinsam mit seiner Mutter sieht er sich Fotos an – das ist die Ausgangskonstellation dieses Buchs, das autobiografisches Schreiben mit soziologischer Reflexion verknüpft.
Eribon realisiert, wie sehr er unter der Homophobie seines
Herkunftsmilieus litt und dass es der Habitus einer armen
Arbeiterfamilie war, der es ihm schwer machte, in der Pariser
Gesellschaft Fuß zu fassen. Darüber hinaus liefert er eine Analyse des sozialen und intellektuellen Lebens seit den fünfziger Jahren und fragt, warum ein Teil der Arbeiterschaft zum Front National übergelaufen ist.
Das Buch sorgt seit seinem Erscheinen international für Aufsehen.“
(Erschienen im Suhrkamp Verlag, Berlin 2016)
Eribon nimmt auch aktuell Stellung zum Thema Arbeiter_innen und Front National: Seine eigene Mutter sowie viele aus dem sozialen Milieu, aus dem Eribon stammt, wählten früher die Kommunistische Partei Frankreichs (KPF), heute wählen etliche Front National. Er vermutet, das es im Stalinismus der KPF Ideologien wie Nationalismus und Homophobie gab, die
sich Bruchlos in dem Ideologien-Mix der FN wiederfinden. Diese
Versatzstücke prägen die Identität auch von Arbeiter_innen, wie er am eignen Leib erfahren hat.
Eine sozialdemokratische Politik, die vor allem auf Sozialpartnerschaft und Wahlen setzt, zerstört faktisch die soziale Identitäten als Arbeiter_innen, übrig bleiben zur Anpassung an und in die Gesellschaft, die Identifikation mit der Nation, die Bestätigung anti-bürgerlicher Verhaltens und die eigene heterosexuelle Normalität. Oder um es nach Chemnitz zu sagen: Männlich, weiß, deutsch, gewalttätig.
Was können wir dagegen tun, hilflos zuschauen oder? „Didier Eribon schreibt in »Rückkehr nach Reims«, dass im Arbeitskampf Rassismus und andere »niedrige Empfindungen« verschwinden können. »Dann herrscht Solidarität, und sei es nur eine partielle und vorübergehende.« Fehlende Selbstwahrnehmung als solidarisch-mobilisierbare Gruppe hingegen führe dazu, so Eribon, dass rassistische Kategorien die sozialen ersetzen.
Insofern ist die noch immer lebendige Erinnerung an die eigene Kraft in [Duisburg-] Rheinhausen auch so etwas wie eine Impfung, mit abnehmender Wirkung sicherlich. Bei manchen aber auch 30 Jahre später noch wirksam.“
(2.12.17,
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1071978.arbeitskampf-im-ruhrgebiet-ein-schluck-aus-der-lebenspulle.html
)
Am Freitag, 28.09.2018, ab 20 Uhr, möchte ich im FAU-Lokal, Metzer Str. 20, Bielefeld, Eribons Gedanken, Biografie und soziologischen Analysen in Teilen vorstellen, meine Interpretationen mitteilen. Das Buch liest sich nicht immer ganz einfach, für mich aber sehr spannend, und glaubhaft!“
@rti (FAU Bielefeld 1)
Wir freuen uns schon auf Euch !
EURE FAU BIELEFELD & EUER ANARCHISTISCHES FORUM OWL