Der Kontext:
„Möseale Ejakulation – die Votzen spritzen zurück“, so lautete der Titel eines Sexualaufklärungsworkshop, der letztes Semester im Rahmen der ‚Aktionstage Gesellschaft.Macht.Geschlecht – für sexuelle und geschlechtliche Selbstbestimmung‘ stattfand. Zahlreiche nationale und internationale Medien berichteten; die Uni Bielefeld, der AStA und dessen Gleichstellungsreferat wurden sehr bekannt. Die Reaktionen auf dieses Angebot reichten von vielen interessierten Nachfragen, Zuspruch über starke Kritik bis hin zu Androhungen schwerer Straftaten.
Oft war in diesem Kontext die Rede von Masturbationsworkshops und Sex-Seminaren. Der Ring Christlich Demokratischer Studenten der Uni Bielefeld betitelte den Workshop sogar als Orgie und die AfD sah, wie so häufig, das christliche Abendland in Gefahr. So entstand ein Bild, in dem das eigentliche Angliegen des Workshops, nämlich die Aufklärung über die Anatomie und Ejakulation der Vulva, die weniger bekannt und präsent ist, als die Ejakulation und Anatomie des Penis, aufzuklären, gar nicht mehr zu erkennen war.
Wir verstehen Sexualaufklärung an der Uni als Beitrag zur sexuellen Gesundheit der Studierenden. Rund um Sexualität und Geschlechtsorgane gibt es zahlreiche Mythen, mit denen wir aufräumen wollen. Denn die Vulva ist komplex und wissenschaftliche Forschung über sie marginalisiert. Viele Menschen ohne (und mit!) Vulven wissen weder etwas über Komplexität, noch über Funktionsweisen dieses Geschlechtsorgans. So soll der Vortrag, der im Gegensatz zum Workshop für alle Geschlechter offen ist, den Teilnehmenden ermöglichen mehr zu erfahren. Der Workshop ist insbesondere dafür da, ein besseres Gefühl für den eigenen Körper zu entwickeln.
Die Referentin will mit dem Vortrag und dem Workshop mit Mythen und falschen, verzerrten oder unpräzisen Vorstellungen und Bezeichnungen aufräumen und zeitgemäße, wertschätzende Bilder und Worte etablieren. Dafür hat sie eine bewusst provokante Sprache gewählt, um Begriffe wie Votze neu und positiv zu besetzen. In dem Vortrag sowie Workshop geht sie auch auf die Tabuisierung der Vulva und deren wissenschaftliche Relevanz ein.
Die Veranstaltung wird in „Ach so ist das? Eine Veranstaltungsreihe zu sexueller Gesundheit und Selbstbestimmung, Körper und Liebe“ eingebunden.
Klit Klit Hurra! Von müden Möschen und Protzenden Fotzen
Was: Vortrag am 26.10. um 16:30 Uhr im Hörsaal H5
Für wen: Alle Geschlechter
Wie lange: 1,5 Stunden
„Das weibliche Lustzentrum ist ein komplexes Powerorgan, über das wir immer noch viel zu wenig wissen! Wie groß ist die Klitoris? Wo genau liegt die G-Fläche? Wie stimuliere ich die Prostata und wo liegt sie überhaupt? Wie funktioniert die möseale Ejakulation? Was tropft, fließt und spritzt da eigentlich alles? Was ist mit dem Vaginalkranz gemeint und wer hat sich das ausgedacht? Der Vortrag wird sich diesen und anderen Fragen widmen und bildreich über die möseale Anatomie und die Funktionsweise der Lustorgane aufklären.
In der Geschichte des westlichen Patriarchats wurde die Potenz der Vulva über Jahrhunderte hinweg und mit gewaltiger Anstrengung diffamiert und verleugnet. Viele Wissensbestände und Praktiken wurden verdrängt und gingen verloren, manches tauchte auf Umwegen wieder auf oder war Gegenstand feministischer Kämpfe. Um die Möse ranken sich auch knapp 50 Jahre nach den ersten kollektiven Selbstuntersuchungen im Kontext der Zweiten Welle der Frauenbewegung – und nach jahrzehntelanger feministischer Forschung aus historischer, kulturwissenschaftlicher und medizinischer Perspektive – noch immer absurde Mythen. Viele alltägliche Bezeichnungen oder bildliche Darstellungen sind nach wie vor schlicht falsch, irreführend oder ideologisch aufgeladen. Dem schnellen Klick im hypernormierten Malestream-Internet-Porno entgeht die möseale Komplexität und Votzenvielfalt komplett.
Wir werden daher während des Vortrags nicht nur nachholen, was Biologielehrer*innen und auch Geschichtslehrer*innen „vergessen“ haben, sondern uns auch über unterschiedliche Erfahrungen, Wahrnehmungen und Wissensbestände austauschen und so gemeinsam den Reichtum der fülligen Falten feiern.
Every pussy is different and All Cunts Are Beautiful!
Viva la Vulva!“
Pia Voz-Picunt ist feministische Fotzenforscherin und Aktivistin im Freudenfluss-Netzwerk der Berliner Sexpertin Laura Méritt. Zur Etablierung einer Neuen Gleitkultur propagiert sie in praktischer und theoretischer Hinsicht einen dreifaltigen Ansatz: Klitoral leben – Pussytiv denken – Votzüglich ficken. Weitere Vorschläge sind jederzeit sehr willkommen und können gerne vor, während und nach den Veranstaltungen gemeinsam diskutiert werden